see-Conference #10 oder: Wo bitte geht’s zur Zukunft?

Fritz Ehlers

Die see-Conference in Wiesbaden ist eine der größten Designkonferenzen in Deutschland. Designer, Architekten, Medienkünstler und Philosophen präsentieren in ihren Vorträgen aktuelle Trends zur „Visualisierung von Information“. Wer denkt, da ginge es nur um einen Teilbereich von Art Direction, unterschätzt den Anspruch, den die see-Conference an sich und ihre Besucher stellt. Prof. Dr Harald Welzer, der Keynote-Speaker, der die Konferenz eröffnete, setzte das intellektuelle Level dann auch gleich entsprechend hoch.

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Seine Behauptung: Anders als unsere Eltern im vergangenen Jahrhundert leben wir orientierungslos vor uns hin. Das erkenne man daran, dass wir uns keine Bilder mehr von der Zukunft schaffen. Nichts, worauf wir hinarbeiten. Nichts, was sich eines Tages von Ideal oder Utopie in reales Leben wandeln soll. Keine achtspurigen Autobahnen, keine Schwebebahnen, keine Metropolenlandschaft voll mit gigantischen Hochhäusern.  Man spürt den Wunsch zur aufrüttelnden Provokation, die Harald Welzer unbedingt machen möchte - und hat im Kopf schnell die Gegenbeispiele parat. Kinofilme von Blade Runner über Wall E bis Gattaca, um nur ein paar Beispiele zu nennen. 

Und doch muss man ihm ein wenig Recht geben. Sicherlich auch geprägt durch das Quartalsdenken von Wirtschaft und Politik ist uns der große Blick nach vorne verloren gegangen. So wurden die folgenden Vorträge zu Predigten voller Mut machender Beweise, größer, weiter zu denken: Architekt Teddy Cruz nahm das Improvisationstalent lateinamerikascher Häuslebauer und infiltrierte damit den reichen, amerikanischen Norden. Der Querdenker Van Bo Le-Mentzel zeigte sich überzeugt von einer Crowd gesourcten besseren Zukunft. Designerin und Künstlerin Alexandra Daisy Ginsberg entwickelte Zukunftsbilder, die auf überraschende Kombinationen von Technologie und synthetischer Biologie setzen. Währenddessen wurden die Zuhörer der see-Conference #10 nach und nach zu Gemeindemitgliedern einer Kirche der Visionäre. Hoffentlich nicht nur zu bekennenden, sondern auch zu praktizierenden.

Blieb da das Design in Designkonferenz nicht auf der Strecke? Nein, blieb es nicht. Dank der großartigen Informationsgrafiken von Francesco Franchi und den feinfühligen Digitalprojekten von Koichiro Tanaka vorgestellt von zwei Sprechern, die sich aufs Handwerkliche ihrer Arbeit konzentrierten. Nicht nachdenken, nur große Augen machen und begeistert sein. Und auch das hat was!

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Fritz Ehlers leitet seit August 2011 die Abteilung Art & Copy bei Cocomore. Er war vorher in führender Position unter anderem bei namhaften Netzwerkagenturen wie Publicis und McCann Erickson beschäftigt. Ein guter Kreativer ist für ihn jemand, der sich mehr für Menschen, Kultur und Technologie interessiert als für die Arbeiten seiner zahlreichen Werber-Kollegen. Vier Wörter mit denen sich Fritz beschreibt: neugierig, unverdrossen optimistisch, bärtig.